In der subh # 34 schreibt Andreas Reiffer unter der Überschrift
Solidarität mit allen Opfern!:
Genau vor zwei Jahren also im Frühjahr 1999
griff die NATO mit deutscher Beteiligung Serbien an. Die Gründe
dafür wurden uns ausschweifend erklärt und leuchteten dem
Normalbürger auch zunächst ein: Milosevic bzw. seine Armee
vertreibt schon wieder bestimmte Volksgruppen diesmal im Kosovo. Rückblickend
hat dieser Krieg der NATO gegen das serbische Volk mal wieder überhaupt
nichts gebracht. Oder zumindest nichts Positives. Wir erinnern uns
noch an die gefakte Berichterstattung und über die zynische Wortwahl
der NATO und unserer Politiker. Der Schock saß groß
Ausgerechnet die Grünen
Mit der Anthologie Feldpost 2000 liegt nun eine Sammlung literarischer
Stimmen zum Krieg vor. Kunst gegen den Krieg? Nein, auf eine Diskussion
über Sinn und Unsinn solcher Aktionen lasse ich mich jetzt nicht
ein. Nur soviel: Was wäre die Friedensbewegung ohne Schriftsteller
und andere Künstler im Rücken gewesen? Doch von der war
1999 nicht viel übrig, gerade weil dieser Krieg so viele Abers
hervorrief, angesichts von Massenvertreibungen, Berichten über
Vergewaltigungen.
Ungewöhnlich bleibt die lyrische Annäherung an das Thema
(z.B. Peter Küstermann mit einem sehr schönen Friedensgedicht
oder Michael Halfbrodt zum Grünen-Parteitag am 13. Mai 1999).
Prosatexte gibt es von Ulrich Jösting (wie immer sehr kryptisch
und unzugänglich), Lutz Rathenow (was ist an den Typen eigentlich
so toll?), Inga Sawade (über die kindliche Vorstellungskraft
und die Atombombe) oder Andreas Schmitz (ein Text über tatsächlich
Kriegsbetroffene). Soweit kann diese Anthologie nur eine Ergänzung
zu einer kritischen Berichterstattung sein, die es aber wohl zumindest
im Fernsehen erst nach dem Krieg gab und man sich zynischerweise dann
auch noch sehr um die Angreifer sorgte Stichwort: uranhaltige
Munition. Mehr als subjektive Blickweisen waren wohl auch nicht zu
erwarten, auch wenn sich Hrsg. Samson sehr darum bemühte, durch
Vorworte, Zwischen- und Nachworte eine Diskussion aufkommen zu lassen.
Herausragend bleibt der Artikel Ohnmacht der Vernunft? Von Uwe Timm.
Timm ist sicherlich kein Freund der NATO oder der dort alles beherrschenden
USA, aber er macht auch klar, dass blinder Protest gegen den Krieg
und Solidarität mit den Opfern das Milosevic-Regime und die seit
1987 anhaltenden Menschenrechtsverletzungen nicht abschafft. Genauso
wenig wie es der Krieg selber geschafft hat, wie wir heute wissen.
Timm hat kein Patentrezept, aber ein blindes auf eine Seite schlagen
ist ihm zu undurchdacht. Leider sind ihm Vergleiche zwischen Hitler
und Milosevic nicht zu dumm, sie zu erwähnen.
Auch wenn die Anthologie erst knapp zwei Jahre nach Beginn der Bombardements
erschien, kann ich sie gut weiterempfehlen. Der nächste Krieg
kommt bestimmt
In der ratriot # 8 meint Urs Böke:
Der Untertitel lautet Deutschland wieder im Krieg
und ich sage: Falsch, immer noch! Der völkerrechtswidrige Angriff
auf Serbien liegt also vor als Anthologie und wie es bei Anthologien
so ist, sind die Beiträge durchwachsen. Von Stefan Heuer gibt
es feine Collagen, und andere Sachen sind mir einfach zu weich
Krieg heißt Blut, nicht Betroffenheitslyrik. Gutes von Götterwind,
Scholz, Finke, außerdem noch einige klärende Worte des
Farbbeutelattentäters auf Joschka Fischer.
In der KULT # 13 schreibt AS:
Mit dem Untertitel Deutschland wieder im Krieg legt
Raimund Samson hier sozusagen mit Hilfe von Autorenkollegen sein Statement
zum Einsatz der Bundeswehr in anderen Ländern vor: Der
überwiegende Tenor: Enttäuschung und Wut über unsere
Politiker. Einige nähern sich dem Thema auch auf absurde, witzig
erscheinende Art (Rückseite des Buchs). Die Ausgangsthese
von Samson lautet: Der Bundeswehreinsatz stellt eine Zäsur
in der Geschichte dieses Landes dar. Zugegebenermaßen
hat dies kaum jemand so richtig heftig registriert! Jedenfalls möchte
Samson mit dieser Textsammlung anregen und aufregen, in Frage
stellen und Widerspruch hervorlocken (vgl. ebd.)
In seinem mitabgedruckten Antwortbrief an Alexander Scholz (Minotaurus)
räumt Samson zwar ein: Ein Dichterwort ist nur ein Furz
neben einem Statement von Außenminister J.Fischer
aber er fordert uns auch auf, uns Strategien auszudenken, um gegen
das Meinungsmonopol der großen Medien anzukämpfen. Leider
ist diese Anthologie nur recht dünn geraten, aber die Beteiligten
u.a. Frank Bröker, Günter Fraunhofer, Jerk Götterwind,
HEL, Ulrich Jösting, Lutz Rathenow, KHS & Karl Seemann
gehen konsequent ran & gestatten keine offiziösen Ausreden.
Allerdings führen wir seit Jahrhunderten die Diskussion um die
Berechtigung des Tyrannenmords! Also geht es auch hier wieder um diese
saupeinliche Frage: den pazifistischen Schwanz einziehen oder NATOnal
abspritzen?!