Samson, Feldpost 2000.

Raimund Samson [Hrsg.],
Anthologie: Feldpost 2000.
Deutschland wieder im Krieg.

Bern: Edition Anares, 2001.
79 Seiten mit Abbildungen. Kartoniert mit Schutzumschlag.

CHF 10 / EUR 6.60

ISBN 3-905052-66-0

Edition Anares

* In dieser Anthologie kommen vor allem Künstler und Autorinnen zu Wort. Die einst breite Friedensbewegung ist auf das Format kleiner, sich teilweise untereinander bekämpfender Sekten geschrumpft. Dieses Buch mit seinen kreativen (politisch nicht immer korrekten) Beiträgen will anregen und aufregen, in Frage stellen und Widerspruch hervorlocken.

In der subh # 34 schreibt Andreas Reiffer unter der Überschrift „Solidarität mit allen Opfern!“:
„Genau vor zwei Jahren – also im Frühjahr 1999 – griff die NATO mit deutscher Beteiligung Serbien an. Die Gründe dafür wurden uns ausschweifend erklärt und leuchteten dem Normalbürger auch zunächst ein: Milosevic bzw. seine Armee vertreibt schon wieder bestimmte Volksgruppen diesmal im Kosovo. Rückblickend hat dieser Krieg der NATO gegen das serbische Volk mal wieder überhaupt nichts gebracht. Oder zumindest nichts Positives. Wir erinnern uns noch an die gefakte Berichterstattung und über die zynische Wortwahl der NATO und unserer Politiker. Der Schock saß groß – Ausgerechnet die Grünen…

Mit der Anthologie Feldpost 2000 liegt nun eine Sammlung literarischer Stimmen zum Krieg vor. Kunst gegen den Krieg? Nein, auf eine Diskussion über Sinn und Unsinn solcher Aktionen lasse ich mich jetzt nicht ein. Nur soviel: Was wäre die Friedensbewegung ohne Schriftsteller und andere Künstler im Rücken gewesen? Doch von der war 1999 nicht viel übrig, gerade weil dieser Krieg so viele „Abers“ hervorrief, angesichts von Massenvertreibungen, Berichten über Vergewaltigungen.
Ungewöhnlich bleibt die lyrische Annäherung an das Thema (z.B. Peter Küstermann mit einem sehr schönen Friedensgedicht oder Michael Halfbrodt zum Grünen-Parteitag am 13. Mai 1999). Prosatexte gibt es von Ulrich Jösting (wie immer sehr kryptisch und unzugänglich), Lutz Rathenow (was ist an den Typen eigentlich so toll?), Inga Sawade (über die kindliche Vorstellungskraft und die Atombombe) oder Andreas Schmitz (ein Text über tatsächlich Kriegsbetroffene). Soweit kann diese Anthologie nur eine Ergänzung zu einer kritischen Berichterstattung sein, die es aber wohl zumindest im Fernsehen erst nach dem Krieg gab und man sich zynischerweise dann auch noch sehr um die Angreifer sorgte – Stichwort: uranhaltige Munition. Mehr als subjektive Blickweisen waren wohl auch nicht zu erwarten, auch wenn sich Hrsg. Samson sehr darum bemühte, durch Vorworte, Zwischen- und Nachworte eine Diskussion aufkommen zu lassen.
Herausragend bleibt der Artikel Ohnmacht der Vernunft? Von Uwe Timm. Timm ist sicherlich kein Freund der NATO oder der dort alles beherrschenden USA, aber er macht auch klar, dass blinder Protest gegen den Krieg und Solidarität mit den Opfern das Milosevic-Regime und die seit 1987 anhaltenden Menschenrechtsverletzungen nicht abschafft. Genauso wenig wie es der Krieg selber geschafft hat, wie wir heute wissen. Timm hat kein Patentrezept, aber ein blindes auf eine Seite schlagen ist ihm zu undurchdacht. Leider sind ihm Vergleiche zwischen Hitler und Milosevic nicht zu dumm, sie zu erwähnen.

Auch wenn die Anthologie erst knapp zwei Jahre nach Beginn der Bombardements erschien, kann ich sie gut weiterempfehlen. Der nächste Krieg kommt bestimmt …


In der ratriot # 8 meint Urs Böke:
„Der Untertitel lautet ‚Deutschland wieder im Krieg’ und ich sage: Falsch, immer noch! Der völkerrechtswidrige Angriff auf Serbien liegt also vor als Anthologie und wie es bei Anthologien so ist, sind die Beiträge durchwachsen. Von Stefan Heuer gibt es feine Collagen, und andere Sachen sind mir einfach zu weich – Krieg heißt Blut, nicht Betroffenheitslyrik. Gutes von Götterwind, Scholz, Finke, außerdem noch einige klärende Worte des Farbbeutelattentäters auf Joschka Fischer.


In der KULT # 13 schreibt AS:
„Mit dem Untertitel ‚Deutschland wieder im Krieg’ legt Raimund Samson hier sozusagen mit Hilfe von Autorenkollegen sein Statement zum Einsatz der Bundeswehr in anderen Ländern vor: „Der überwiegende Tenor: Enttäuschung und Wut über unsere Politiker. Einige nähern sich dem Thema auch auf absurde, witzig erscheinende Art“ (Rückseite des Buchs). Die Ausgangsthese von Samson lautet: „Der Bundeswehreinsatz stellt eine Zäsur in der Geschichte dieses Landes dar.“ Zugegebenermaßen hat dies kaum jemand so richtig heftig registriert! Jedenfalls möchte Samson mit dieser Textsammlung „anregen und aufregen, in Frage stellen und Widerspruch hervorlocken“ (vgl. ebd.)
In seinem mitabgedruckten Antwortbrief an Alexander Scholz (‚Minotaurus’) räumt Samson zwar ein: „Ein Dichterwort ist nur ein Furz neben einem Statement von Außenminister J.Fischer“ – aber er fordert uns auch auf, uns Strategien auszudenken, um gegen das Meinungsmonopol der großen Medien anzukämpfen. Leider ist diese Anthologie nur recht dünn geraten, aber die Beteiligten – u.a. Frank Bröker, Günter Fraunhofer, Jerk Götterwind, HEL, Ulrich Jösting, Lutz Rathenow, KHS & Karl Seemann – gehen konsequent ran & gestatten keine offiziösen Ausreden. Allerdings führen wir seit Jahrhunderten die Diskussion um die Berechtigung des Tyrannenmords! Also geht es auch hier wieder um diese saupeinliche Frage: den pazifistischen Schwanz einziehen oder NATOnal abspritzen?!“


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